Der Familienalltag ist häufig durch Stress und Zeitdruck geprägt. Damit bleiben Streits und Auseinandersetzungen nicht aus. Wir haben Wünsche und Hoffnungen, die wir dann in der Situation nicht äußern können. Marshall Rosenberg hat mit der Gewaltfreien Kommunikation eine Methode erfunden, mit der du deine Bedürfnisse und Gefühle frei äußern kannst, ohne den anderen vor den Kopf zu stoßen. Gerade für den Familienalltag bietet sie viele Hilfestellungen, mit denen du den Alltag einfacher gestalten kannst.
Der Psychologe Marshall Rosenberg stellte in den 1960er-Jahren fest, dass viele Auseinandersetzungen auf individuellen Werturteilen und Vorstellungen beruhen. Seine Annahme ist, dass die Betroffenen im Streit nicht die Möglichkeit haben, diese auszublenden. Bei der Gewaltfreien Kommunikation handelt es sich um einen kognitiven Ansatz, der den Betroffenen zeigen soll, dass die Konflikte nicht auf Meinungsverschiedenheiten beruhen, sondern darauf, dass die Bedürfnisse der Beteiligten nicht berücksichtigt werden.
Wertschätzung als Grundlage für eine konfliktfreie Kommunikation
Vielleicht ist es dir schon einmal aufgefallen, dass Streitereien in der Familie immer ähnlich ablaufen. Es geht uns häufig um die Angst zu kurz zukommen. Den Auslöser sehen wir häufig in unserem Gegenüber. Wir mögen es nicht, wenn wir auf etwas verzichten müssen, die Kinder nicht ihre Aufgabe erledigen oder die Termine nicht einhalten. In solchen Situationen sind wir schnell dabei, den Schuldigen zu finden. Denn an der misslichen Lage sind immer die anderen Schuld. Genau an dieser Stelle setzt Rosenberg an. Denn Aussagen wie „Du nervst“ oder „Ich habe dir vor drei Tagen schon gesagt, dass du deine Socken wegräumen sollst.“ sind immer mit einer Wertung verbunden. Der Ansatz der Gewaltfreien Kommunikation fordert uns nicht auf, diese Situationen um des lieben Familienfriedens Willen unter den Teppich zu kehren, sondern vielmehr Bedürfnisse und Gefühle auszudrücken. Denn so kannst du deinen Familienmitgliedern mitteilen, dass du mit dem Verhalten nicht einverstanden bist und wertest gleichzeitig die Person nicht ab. Wenn du sagt: „Wenn ihr so laut spielt, kann ich nicht in Ruhe telefonieren.“ dann verstehen die Kinder, dass es die Lautstärke ist, die in dem Augenblick stört. Sie beziehen die Aussagen auf die Situation selbst und nicht auf sich selbst. Die Gewaltfreie Kommunikation ist ein Ansatz, bei dem die Achtung der anderen besonders wichtig ist.
Für Rosenberg ist es wichtig auf einer werturteilsfreien Ebene zu kommunizieren. Im Alltag ist dies alles andere als einfach. Für Eltern ist wichtig, den Kindern Grenzen zu setzten. Ein „Du darfst nicht“ ist in der Situation klar und eindeutig. Doch kann diese Aussage schnell missverstanden werden. Denn das Kind interpretiert „Ich kann das nicht.“ oder „Ich bin dafür nicht gut genug.“ Rosenberg schlägt vor, mit der eigenen Aussage die innere Unklarheit auszudrücken. Die Vorwurf „Ich habe dir vor drei Tagen schon gesagt, dass du deine Socken wegräumen sollst.“ könnte also durch „Kannst du mir erklären, wie ich dir sagen soll, dass du deine Socken wegräumen sollst?“ ersetzt werden. Das Kind versteht, dass nicht es selbst der störende Faktor ist, sondern die herumliegende Schmutzwäsche. Rosenberg fordert zur Empathie im Alltag auf. Es wichtig zu erfahren welche Gründe und Vorstellungen es für das Handeln gibt.
Die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte
Konflikte in der Familie sind immer mit einer Belastung oder dem Gefühl „Ich komme zu kurz.“ verbunden. In einer Konfliktsituation ist es entsprechend nie einfach, kurz innezuhalten, um auf die Situation richtig zu reagieren. Diese vier Aspekte helfen dir dabei:
Beobachtung: Halte einfach drei tiefe Atemzüge inne und lass die Situation auf dich wirken.
Gefühle: Beobachte, welche Reaktion die Aussage in dir auslöst.
Bedürfnis: Überlege, welches Bedürfnis mit deinem Gefühl in Verbindung steht. Häufig geht es um eine Entlastung. Doch im Hintergrund gibt es Anliegen, die unser Verhalten nachhaltig beeinflussen.
Bitte: Hier geht es um eine konkrete Handlung. Überlege, was Du im Grunde genommen wirklich von deinem Gesprächspartner möchtest.
Die Gewaltfreie Kommunikation erfordert im Alltag etwas Übung. Denn im Alltag sind wir häufig viel zu ungeduldig, um die echten Beweggründe für eine Handlung zu erfragen. Oft ist es so, dass eine Handlung schnell erfolgen soll. Zum Beispiel, dass die Kinder wirklich jetzt die Wäsche wegräumen. Die Methode von Rosenberg ermöglicht es, miteinander auf gleicher Augenhöhe zu reden und zu einem Ergebnis kommen.
Funktioniert die Gewaltfreie Kommunikation immer?
Sicherlich gibt es Momente, in denen Du nicht die Ressourcen hast, intensiv auf deinen Partner oder die Kinder einzugehen. Doch Übung macht den Meister. Denn Rosenbergs Ansatz schärft die Sinne für die eigenen Bedürfnisse und die Probleme in der Familie. Die Gewaltfreie Kommunikation stellt damit eine Möglichkeit dar, die Basis für ein gemeinsames Miteinander zu verbessern.